Freitag, 27. Mai 2016

Kurzgeschichte - Verfolgt

"LAUF!"

Dieser Gedanke schoss ihr durch den Kopf, als die Schritte immer näher kamen. Seit einer halben Stunde war sie sich bewusst, dass sie verfolgt wurde. Einige Male hatte sie sich während des Laufens umgedreht, war plötzlich abgebogen und von ihrer normalen Route abgewichen tiefer hinein in den Wald. Immer war er da.
Ein paar mal atmete sie auf, als sie die bedrohlichen Schritte nicht  nicht mehr vernahm, wurde langsamer, bis sie sie im gleichen Augenblick wieder hörte. Angst machte sich breit. Eine Angst die tief aus ihrer Seele kam, nahm ihr fast den Atem, zwängte sie ein, so dass es ihr schwer viel gleichmäßig das hohe Tempo beizubehalten.
Wieder eine Abzweigung. Sie bog ohne zu überlegen nach links ab, um es danach direkt wieder zu bereuen. Der Weg war schmaler, matschiger, teils von großen, mit schlammigem Wasser gefüllten Pfützen übersät.

"Gib nicht auf! Du kommst hier heil raus!"

Sie versuchte sich zu motivieren. Ein kurzer Blick zurück. 

PLATSCH!

Ihr Schuh versank in der Pfütze. Sie knickte weg. Ein Schmerz schoss in ihren Knöchel. Sie wollte stehen bleiben, doch im gleichen Moment hörte sie das saugend schmatzende Geräusch von Schuhen auf matschigem Geläuf in ihrem Nacken. Sie ignorierte die Schmerzen so gut es ging und lief weiter. Dunkle Gedanken schossen in ihrem Kopf. Überfall, Missbrauch, Vergewaltigung! Fast jeden Tag konnte man doch so etwas in der Zeitung lesen.

"Du wirst die nächste sein!"



Dieser Gedanke wurde von Schritt zu Schritt lauter. Sie beschleunigte ihre Schritte. Wie gut, dass sie fast täglich trainierte. Einfach wollte sie es ihrem Verfolger nicht machen. Doch die Angst lähmte sie. Sie spürte es bei jedem Atemzug. 

SEITENSTECHEN 

Sie wusste, dass es so kommen musste. Dieses ungleichmäßige Atmen führte zwangsläufig dazu. Sie zwang sich etwas langsamer zu laufen und versuchte ihre Atmung wieder zu kontrollieren. Sie riskierte einen Blick über die Schultern. Da war er. Sie hatte es geschafft einigen Abstand zwischen sich und ihn zu bekommen. Aber er folgte ihr immer noch. Dieser Mann, der ihr nun schon seit 45 Minuten folgte. Er war dunkel gekleidet. Dunkelgraue, kurze Hose in der muskulöse Beine steckten, schwarze Laufschuhe, schwarzer Kapuzenpulli mit der Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Das Seitenstechen ließ nach. Sie beschleunigte ihre Schritte. Wieder eine Kreuzung. Kurz nahm sie sich Zeit. Licht! Ein breiter Waldweg führte in ca. einem Kilometer aus dem Wald. Sie beschleunigte ihre Schritte. Ihr trainierter Körper protestierte kurz, doch den Endspurt würde sie jetzt schaffen.

"Du schaffst es!"

Nach 200 Metern schaute sie noch einmal zurück. Er war näher gekommen. Ca. 150m von ihr entfernt lief er in seinem immer noch lockeren und federnden Laufstil. Trotz ihres lädierten Knöchels und ihrer schmerzenden Lungen beschleunigte sie weiter. Sie würde es schaffen. Sie lauschte nach hinten. Kamen die Schritte näher. Sie riskierte noch einen Blick. Er kam näher. Die Angst kam wieder. Eine Angst, die sie verkrampfen ließ. Sie hörte seine Schritte, die robotergleich im schnellem Takt über den Waldboden flogen. Sie stolperte, doch sie fing sich wieder. Panik brach in ihr aus. Krampfhaft versuchte sie das Tempo zu erhöhen, doch dem beständig hohen Tempo musste sie langsam Tribut zollen.
Ein weiterer Blick zurück. Noch 50m. Hatte da in seiner Hand etwas silbernes aufgeblitzt?

"Er hat ein Messer!"

Dieser Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Die Panik ließ sie ihr Tempo weiter erhöhen. Noch 200 Meter bis zum Waldrand. Gegen die brennende Muskulatur an begann sie zu sprinten. Sie wollte raus aus diesem Wald, sich wieder orientieren können. Da würden bestimmt andere Menschen sein. Jemand da sein, der sie beschützen kann.

100 Meter bis zum Waldrand

"Ja, sie schaffte es" dachte sie. Sie sprintete weiter, flüchtete in wilder Panik vor der Bedrohung. "Ich will noch nicht sterben!"

50 Meter bis zum Waldrand

Seine Schritte kamen näher. Immer näher hörte sie den Takt seiner Schritte. Er hatte die Frequenz weiter erhöht. Sie schätzte die Entfernung auf 20 Meter. Doch sie würde es schaffen.

Sie erreichte den Waldrand. Kurz lachte sie vor Erleichterung auf. In vollem Sprint schaute sie sich um.

"Felder! Nicht als Felder, schoss es ihr durch den Kopf. Sie schrie laut auf. Für einen Moment passte sie nicht auf. Ihr eh schon lädierter Fuß rutschte auf einem nassen Stein aus. Als hätte ihre Muskulatur schon darauf gewartet, verkrampfte sich ihre Wade. Sie schrie auf vor Schmerz, Wut und Angst. Mit ausgestreckten Armen konnte sie den Sturz zwar abbremsen, doch auch so waren die Schmerzen fast unerträglich. Nur ihre Panik verhinderte, dass diese ihr voll bewusst wurden. 
Sie lag mit geschlossen Augen auf dem Rücken, als sie seine Schritte hörte. Er hatte sein Tempo verringert. Mit langsamen Schritten kam er auf sie zu. Sie vernahm seinen schweren Atem. Sie wollte aufstehen, doch ihr Körper versagte den Dienst.

"Nein, bitte tun sie mir nichts, schrie sie!"

"Haben sie sich verletzt?"

Sie hörte seine sanfte Stimme. Hatte er das wirklich gefragt. Die Panik lähmte ihren ganzen Körper.

"Kann ich ihnen helfen", fragte er erneut?

Sie öffnete ihre Augen und schaute in ein freundliches Gesicht, dass sie fragend und sorgenvoll anschaute. Er war verschwitzt, sein Atem ging immer noch schwer. Warum tat er das jetzt? Sie war verwirrt.

"Kommen sie. Ich helfe ihnen hoch. Dort drüben ist eine Bank. Da können sie sich hinsetzen!"

Zwei starke Arme packten sie unter ihren Achseln. Er stütze sie bis zur Bank und setze sie vorsichtig ab.

"Ich bin Lars", stellte er sich vor.

"Jana..."

Mehr bekam sie einfach nicht raus. Ihr ganzer Körper schmerzte und die Flucht hatte sämtliche Kraft aufgebraucht.

Lars betastete ihren schmerzenden Knöchel und schaute sich die Blessuren an, die sie sich bei ihrem Sturz zugezogen hatte.

"Die Schürfwunden sind halb so schlimm, aber mit dem Knöchel wirst du nicht mehr weiterlaufen können."

Jana verstand die Welt nicht mehr. Sie war sich so sicher gewesen, dass sie verfolgt worden war, dass er ihr etwas antun wollte und nun stellte er sich als ein liebenswerter, hilfsbereiter Mann heraus. Aber warum, war er die ganze Zeit hinter ihr hergelaufen? Diese Runde war definitiv nicht die normale Laufrunde, die hier von den Läufern benutzt wurde.

Plötzlich griff er in eine Tasche seines Kapuzenpullis.

"Das Messer!" 

Panik schoss durch ihren Körper. Sie wollte aufstehen, sich davonstürzen, doch Lars hielt sie zurück. Jetzt würde er also zustechen. Sie schloss die Augen bis sie ein Klimpern hörte.

"Dies ist dann wohl tatsächlich dein Schlüssel!"

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Sprich mit mir! Ich freue mich über dein Kommentar, ob Lob oder Kritik oder der Beginn einer herrlichen Freundschaft oder Diskussion.